Viele Pflegefamilien sind in der Pandemie alleingelassen
Eine Umfrage der Bundesinteressengemeinschaft der Pflegefamilienverbände unter Pflegeeltern offenbart fehlende Unterstützung und vereinzelte Leistungskürzungen in der Coronazeit. Die Bundesinteressengemeinschaft (BIP) ist ein Zusammenschluss von PFAD-Bundesverband e.V., dem Bundesverband behinderter Pflegekinder e.V. und der AGENDA Pflegefamilien.
Pressemitteilung der BIP vom 18. Mai 2021 „Pflegefamilien werden in der Pandemie alleingelassen“
Zusammenfassung der Ergebnisse der Umfrage
In der Corona-Pandemie stehen gerade Pflegefamilien besonderen Herausforderungen gegenüber. An Unterstützung mangelt es allerdings – trotz des staatlichen Auftrags – ganz erheblich, offenbart jetzt eine Umfrage unter Pflegeeltern. Während 37 Prozent die Begleitung durch den zuständigen Pflegekinderdienst in der Pandemie als „hilfreich“ empfanden, bezeichneten 64 Prozent diese als „wirkungslos“. Die Erreichbarkeit ihrer Sachbearbeiter stuften die Teilnehmer im Mittelfeld ein. An der Online-Umfrage der Bundesinteressengemeinschaft der Pflegefamilienverbände (BiP) beteiligten sich von Mitte März bis Mitte April 2021 insgesamt 784 Pflegeeltern aus dem gesamten Bundesgebiet.
„Insgesamt sind die Pflegefamilien in der Pandemie alleingelassen worden“, lautet das Fazit von Kerstin Held, Vorsitzende des Bundesverbandes behinderter Pflegekinder e.V. und Initiatorin der Umfrage. „Obwohl jede einzelne Familie Dienstleister mit einem Auftrag der öffentlichen Hand ist, werden sie weder ausreichend gesehen noch nennenswert aktiv unterstützt.“ Bundesweit leben weit über 90.000 Kinder in der Obhut von Pflegefamilien.
„Dass die Kinder durch das installierte System ‚Pflegefamilie’ eine ausreichende Betreuung und Versorgung erfahren, ist ein Trugschluss“, sagt Kerstin Held weiter. Sicherlich könnten sich Pflegefamilien bis zu einem gewissen Punkt selbst organisieren, doch bräuchten sie auch die Mittel dafür. „Bis auf das Kindergeld konnten Pflegefamilien keine Eltern- oder Betreuungsgelder abrufen, die vom Staat zur Verfügung gestellt wurden“, so Held. „In einigen Fällen wurden die Kindergeld-Sonderzahlungen bei der Grundleistung für das entsprechende Kind sogar wieder abgezogen.“
Weitere Ergebnisse der Auswertung:
* In 96 Prozent aller Fälle erhielten die Familien keine Information zu Teststrategie und Beschaffung von Schnelltests. Sie erhielten keinerlei Coronabeihilfe, Kostenerstattung oder Hilfe zur Beschaffung von Hygieneartikeln und Masken.
* 17 Prozent der Familien beklagten bedrohliche Versorgungsengpässe bei Medikamenten, Hygienemitteln oder Hilfsmitteln (etwa bei Antiepilepsie-Medikamenten, Desinfektionsmitteln oder Magensonden).
* Lediglich 25 Prozent aller befragten Pflegepersonen sind für die Priorisierung der Corona-Impfung erfasst worden. Fast alle Familien bemühten sich um die Erfassung eigenständig. Jede von ihnen musste für die Erfassung argumentieren. Nur eine Familie erhielt eine Bescheinigung des zuständigen Trägers für eine Impfung.
* Der Anteil der Kinder in der Notbetreuung liegt bei 30 Prozent. Einigen Familien wurde die Notbetreuung verwehrt, da sie laut Aussagen der Träger selbst als Betreuungssystem mit öffentlichem Auftrag angesehen würden.
* In eigenen Pflegefamilien kam es zu Leistungskürzungen durch die Verrechnung von Kindergeld-Sonderzahlungen oder zu massivem Ausfall von Betreuungszeiten. Nur selten konnte z.B. der Schulbegleiter zur Entlastung zuhause umgewidmet werden.
Über die BiP
Die Bundesinteressengemeinschaft der Pflegefamilienverbände (BiP) ist das gemeinsame Sprachrohr von PFAD Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien e.V., dem Bundesverband behinderter Pflegekinder e.V. und der AGENDA Pflegefamilien. Sie setzt sich bundesweit für die Belange von Pflege- und Adoptivkindern und ihren Familien ein.