Situation der Pflegefamilien in Berlin


Mitte Oktober wurden umfassende Anfragen zu der Situation von Pflegefamilien in den Senat Berlin eingebracht. Gefragt wurde nach Rechte und Pflichten von Kindern und Jugendlichen, nach der Vergütung im Rahmen der Vollzeitpflege und nach Krisen- bzw. befristeter Vollzeitpflege. Aus den Antworten des Senats ergab sich: Ende 2019 lebten 2035 Kinder in Vollzeitpflege in Berlin. Dem gegenüber waren 4587 in stationären Einrichtungen in Berlin untergebracht. Die Pauschalen zum Lebensunterhalt für Kinder in Pflegefamilien in Berlin wurden im Jahr 2012 letztmalig angepasst, ist also seit acht Jahren unverändert. Eine seit 2019 geplante Neufassung zum Pflegegeld liegt noch nicht vor.

Dem Senat wurden folgende Fragen gestellt und Mitte November beantwortet:

Anfrage zu: Pflichten und Rechte in der Familienpflege von Kindern und Jugendlichen

1. Welche gesetzlichen Voraussetzungen müssen Pflegefamilien oder einzelne Pflegepersonen erfüllen, um Kinder oder Jugendliche zur Pflege und Erziehung im eigenen Haushalt aufnehmen zu können?

2. Welche Altersunter- oder Altersobergrenze gibt es für Pflegepersonen?

3. Müssen Pflegepersonen vor der Aufnahme eines Kindes oder Jugendlichen zur Pflege selbst leibliche oder Adoptivkinder aufgezogen haben oder ist eine Vermittlung an Pflegefamilien oder Pflegepersonen auch ohne eigene Kinder üblich?

4. Sind Pflegefamilien oder einzelne Pflegepersonen dazu gezwungen, jedes ihnen vom Jugendamt zugewiesene Kind/jeden zugewiesenen Jugendlichen bei sich aufnehmen zu müssen? Wäre das in der Krisen- und Bereitschaftspflege der Fall? Sind Absprachen üblich, wie z. B. nur Kinder und Jugendliche eines bestimmten Alters oder Geschlechts aufnehmen zu wollen? Gibt es in diesem Sinne ein Überangebot oder nicht gedeckte Bedarfe aufgrund von derartigen Einschränkungen der Pflegepersonen?

5. Welche Pflichten ergeben sich für Pflegepersonen bei der Aufnahme von Kindern und Jugendlichen mit erweitertem Förderbedarf?

6. Liegt das Sorgerecht bei den Pflegepersonen während der Zeit der Pflege und Erziehung außerhalb der Herkunftsfamilie? Falls nein, wie sieht das Procedere aus, wenn Entscheidungen zu notwendigen medizinischen Behandlungen (Operationen, Impfungen, dringende Arztbesuche) durch unkooperative Eltern der Herkunftsfamilie nicht zeitgerecht eingeholt werden können und eine Kindeswohlgefährdung droht?

7. Muss eine Grundqualifizierung und/oder eine Pflegeelternschule zwingend vor der Erstaufnahme eines Pflegekindes abgeschlossen worden sein? Welches Zertifikat wird dabei erworben? Sind stets ausreichend Plätze für Teilnehmer an der Grundqualifizierung oder der Pflegeelternschule vorhanden oder gibt es längere Wartezeiten? Falls ja, wie sollen die Kapazitäten ausgebaut werden? Sind dem Senat Fälle bekannt, bei denen es zu einer Erstaufnahme eines Pflegekindes ohne vorherige Qualifizierung der Pflegepersonen kam?

Anfrage zu: befristete Vollzeitpflege, Vollzeitpflege sowie Krisen- und Bereitschaftspflege

1. Welche Formen der Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in stationären Einrichtungen wie z.B. Kinderheime oder Kinder- und Jugendwohngruppen gibt es in Berlin? (Bitte Anzahl der Plätze pro Bezirk und Einrichtungsart auflisten.)

2. Wie hoch sind die durchschnittlichen monatlichen Kosten pro Kind oder Jugendlichem für die unterschiedlichen Formen der Unterbringung aus Frage 1?

3. Wie viele Kinder und Jugendliche der verschiedenen Altersstufen waren zum Stichtag 31.12.2019 in stationären Einrichtungen untergebracht?

4. Wie viele Kinder und Jugendliche lebten zum Stichtag 31.12.2019 in Berliner Familien zur Vollzeitpflege? (Bitte nach Hilfearten der Vollzeitpflege und Bezirken auflisten.)

5. Wie genau ist befristete Vollzeitpflege definiert? Wie trennscharf ist der Unterschied zur Vollzeitpflege? Wie wirkt es sich auf die Zahlung der Pauschale für die Erziehungsleistung aus, wenn aus einer ursprünglich geplanten befristeten Vollzeitpflege eine Vollzeitpflege wird und vice versa?

6. Wie genau ist in diesem Zusammenhang Kurzzeitpflege definiert? Ist dieses Wort ein Synonym für befristete Vollzeitpflege? Falls nein, was unterscheidet diese Pflegearten?

7. Wie genau ist Krisen- und Bereitschaftspflege definiert? Was unterscheidet sie von anderen Formen der Pflege in der Kinder- und Jugendhilfe?

8. Von welchem Personenkreis werden die unter Frage 5 bis 7 genannten Pflegeformen typischerweise erbracht? Kommen für alle Pflegeformen Pflegefamilien in Frage?

9. Sind die Definitionen der verschiedenen Pflegeformen, die für Pflegefamilien relevant sind, bundeseinheitlich geregelt? Gelten für alle Berliner Bezirke die gleichen Definitionen?

10. Wie viele Plätze in den unterschiedlichen Pflegeformen, die für Pflegefamilien relevant sind, gibt es pro Bezirk? Halten alle Bezirke Plätze in der Krisen- und Bereitschaftspflege in Pflegefamilien vor?

11. Welche freien Träger sind in der Vermittlung von Pflegefamilien in Berlin tätig? (Bitte pro Bezirk bzw. nach bezirksübergreifender Tätigkeit auflisten.)

12. Aus welchen Mitteln in welcher jährlichen Höhe werden diese freien Träger finanziert? (Bitte für die Jahre 2015 bis 2019 mit jeweiligen Haushaltstiteln angeben.)

13. Welche Gesamtsummen (bestehend aus den Elementen Pauschale für den Lebensunterhalt, Abgeltung der Erziehungsleistung und monatliche Beihilfe) wurden in den Jahren 2015 bis 2019 an Pflegefamilien ausgezahlt? (Bitte für Berlin und die einzelnen Bezirke angeben.)

14. Liegt die im März 2019 angekündigte Neufassung der Ausführungsvorschriften zum Pflegegeld mittlerweile vor? Wenn ja, bitte den Link zum Dokument bereitstellen.

15. Was empfiehlt der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. im Zusammenhang mit der Pflegekinderhilfe und welche Teile der Empfehlung wurden in Berlin bereits umgesetzt oder sind in Planung?

16. Welche messbaren Erfolge kann das Land Berlin bei der Gewinnung von geeigneten Pflegefamilien vorweisen? Wie hat sich die Anzahl verfügbarer Pflegefamilien in den letzten 10 Jahren entwickelt?

 Anfrage zur: Vergütung der Pflege von Kindern und Jugendlichen in der Familienpflege

1. Wann wurden die Pauschalen zum Lebensunterhalt bei Vollzeitpflege für die Altersstufen 1 bis 3 zum letzten Mal erhöht? Welche Beträge werden aktuell bei Vollzeitpflege ohne erweiterten Förderbedarf bzw. mit erweitertem Förderbedarf als Pauschale zum Lebensunterhalt gezahlt?

2. Wie haben sich seit der letzten Erhöhung der Pauschalen zum Lebensunterhalt bei Vollzeitpflege die Löhne im Öffentlichen Dienst im Land Berlin entwickelt?

3. Wie haben sich die Regelbedarfe als Leistungen nach dem SGB II von Kindern und Jugendlichen verschiedener Altersgruppen seit 2012 entwickelt?

4. Wann wurde die monatliche Beihilfe (im Jahr 2019 in Höhe von 48,97 €) zum letzten Mal erhöht?

5. Wie hoch ist aktuell die Abgeltung der Erziehungsleistung bei befristeter Vollzeitpflege?

6. Wie hoch ist aktuell die Abgeltung der Erziehungsleistung bei Vollzeitpflege?

7. Wie hoch ist aktuell die Abgeltung der Erziehungsleistung bei Kurzzeitpflege?

8. Wie hoch ist aktuell die Abgeltung der Erziehungsleistung bei Krisen- und Bereitschaftspflege?

9. Wie wirkt sich ein festgestellter erweiterter Förderbedarf auf die Beträge in den Fragen 5 bis 8 aus?

10. Wie genau ist ein erweiterter Förderbedarf definiert? Würden z.B. ein festgestelltes Fetales Alkoholsyndrom, Stottern des Kindes oder Jugendlichen oder Strabismus beim Kind Gründe für einen erweiterten Förderbedarf sein?

11. Stottern und Strabismus lassen sich mit viel Hingabe, Unterstützung von Fachkräften und großem Engagement der Pflegefamilien deutlich verbessern oder heilen. Sollte dies gelingen, reduziert sich dann die Abgeltung der Erziehungsleistung auf das deutlich geringere Niveau von Pflege ohne erweiterten Förderbedarf? Wie wird hier und in anderen Fällen sichergestellt, dass es zu keinen negativen Fehlanreizen kommt?

12. Hält der Senat die derzeitig an Pflegefamilien gezahlten Vergütungen für angemessen und leistungsgerecht?

13. Wie sind diese Vergütungen im Zusammenhang mit bundesweit und auf Landesebene geltenden Mindestlohnregelungen zu sehen? Muss man bei der Betreuung von sehr jungen Kindern unter einem Jahr von Rund-um-die Uhr-Betreuung ausgehen, mithin einer Arbeits- und Bereitschaftszeit von 720 Stunden im Monat? Reflektiert die Vergütung der Erziehungsleistung diese Arbeitsleistung zumindest in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns pro Stunde?

14. Sollte die Arbeits- und Bereitschaftszeit von 720 Stunden für einen Säugling zu hoch gegriffen sein, von welcher Arbeitszeit wird je nach Alter des Kindes oder Jugendlichen bei den verschiedenen Formen der Familienpflege ausgegangen?

15. Wenn es in Berlin eine Krisen- und Bereitschaftspflege gibt in der Familienpflege, welcher stündliche, tägliche oder monatliche Betrag wird an die Pflegeperson in Bereitschaft ausgezahlt, also während sie auf Abruf für die sofortige Aufnahme eines Kindes oder Jugendlichen in einer Krisensituation jederzeit bereitsteht? Gibt es eine Bereitschaftspauschale?

16. Wird bei der Familienpflege davon ausgegangen, dass die leistenden Personen ausschließlich davon leben und sich Rentenbeiträge erarbeiten können, die nicht zur Altersarmut führen oder liegt eine gänzlich andere Idee im Sinne eines „Dazuverdienens“ zugrunde? Wie verhält sich das bei der Betreuung eines Säuglings, die keine weitere Lohnarbeit, auch nicht in Kurzzeit, zulässt?

17. Wie ist der Anteil von Familien, alleinlebenden Frauen und alleinlebenden Männern bei den zurzeit tätigen Kräften in der Familienpflege von Kindern und Jugendlichen? (Bitte in absoluten Zahlen und prozentual angeben.)

18. Wie lange dauert es im Durchschnitt vom Einzug des Kindes oder Jugendlichen bis zur erstmaligen Zahlung der Pauschale für den Lebensunterhalt, der Abgeltung der Erziehungsleistung und der monatlichen Beihilfe an die Pflegepersonen?

19. Wie hoch ist der für das Taschengeld vorgesehene Anteil für die Kinder und Jugendlichen in der Pauschale für den Lebensunterhalt?

20. Auf Antrag beim Jugendamt können einmalige Zuschüsse an Pflegefamilien gezahlt werden. Wie hoch ist der maximale Zuschuss für einen Kinderwagen, ein Fahrrad (je nach Altersstufe) und einen Autokindersitz (Babyschale, Kindersitz, Sitzerhöhung)?

Kinderschutz – wenn Pflegefamilien Kinder mit Gewalterfahrungen aufnehmen

Bevor Kinder in Pflegefamilien vermittelt werden, haben sie oft Zeiten erlebt, in denen ihr Kinderschutz z.B. durch Gewaltanwendungen im körperlichen, emotionalen und/oder sexuellen Bereich verletzt worden ist. Mit diesen oft traumatisierenden Vorerfahrungen kommen die Kinder dann in ihre Pflegefamilien. Das bisher Erlebte prägt ihr Verhalten und ihre Empfindungen – es ist daher von besonderer Bedeutung, dass die Pflegefamilien auch wissen, was die Kinder erlebt haben. Die Praxis zeigt jedoch immer wieder, dass Kinder ohne Rücksicht oder Wissen ihrer Geschichte in Familien vermittelt werden und auch oft keine passende Begleitung oder Beratung angeboten wird. Kann der Kinderschutz so gewährt werden?

Wenn ich höre, dass Kinder mit Gewalterfahrungen in Pflegefamilien aufgenommen werden sollen, kommen mir besonders folgende Gedanken in den Sinn:

* Wissen die Pflegeeltern von möglichen Verletzungen des Kinderschutzes an ihrem Pflegekind, bevor es zu ihnen gekommen ist?

* Haben die Pflegeeltern so viel Wissen, Erfahrung und Unterstützung, dass sie selbst nicht aus Überforderung und Unwissenheit den Kindesschutz ihres Pflegekindes verletzen?

* Haben die Jugendämter die Möglichkeit, Pflegeelternbewerber so weit zu erkennen und einzuschätzen, dass sie überzeugt sein können, dort ein Kind nicht kinderschutzgefährdend unterzubringen?

Mir ist in meiner Beratungstätigkeit deutlich geworden, wie wenig oft über die Gefährdung von Kindern Bescheid gewusst wird.

Welche Gefährdungen gibt es überhaupt und wie zeigen sie sich?

Gewalthandlungen sind meistens sichtbar, emotionale oder sexualisierte Gewalt ist nicht sichtbar. Alle Handlungen ob seelisch, körperlich oder sexualisiert erzeugen schwere Traumatisierungen, die sich sehr unterschiedlich zeigen.

  • Mögliche Auffälligkeiten des Kindes:
  • Schlafstörungen
  • Angstzustände z.B. durch geschlossene Türen, Dunkelheit
  • Selbstverletzungen
  • Einnässen nachdem das Kind schon trocken war
  • Ungewöhnliches Verhalten beim Essen, kein Sättigungsgefühl ständige Angst hungern zu müssen
  • Panik beim Wickeln, Baden, beim Eincremen, beim Fieber messen usw.
  • Starr im Verhalten, nicht ansprechbar wie in Trance
  • Darf keine Freude empfinden, z.B. Geburtstag (zerstört Geschenke) benimmt sich randalierend
  • Vermeintliches Lügen (Erinnerungslücken, Dissoziation)
  • Auffälliges Verhalten bei Fotos oder Filmkameras
  • Übertragung des Erlebten auf die Pflegeeltern mit sexualisiertem Verhalten,
  • distanzlos

Alle Auffälligkeiten können ein Hinweis sein, MÜSSEN es aber nicht sein. Hier brauchen die Pflegeeltern Empathie und Fingerspitzengefühl. Jetzt wäre es wichtig, sich gut beraten zu lassen.

Gewalthandlungen haben immer etwas mit Macht zu tun.

Macht ist ein Bestandteil unserer Gesellschaft, eine Form des Umgangs miteinander. Kinder sind noch unerfahren, unsicher, müssen sich noch entwickeln und brauchen daher Führung und Regeln, daher erleben sie Macht im Alltag. Macht kann Gutes bewirken und Schreckliches. Macht kann aufbauen und Macht kann ein Kind in seinen Grundfesten zerstören.

Ständige Erniedrigungen, „du taugst nichts, du bist wertlos, du kannst nichts…“ bewirken, dass das Kind kein Selbstvertrauen aufbauen kann. Liebesentzug, Entzug von Nahrung, keine medizinische Versorgung, Isolation und Einsperren sind nur einige Punkte von Machtmissbrauch. Diese Kinder werden stark unter Druck gesetzt, sich niemanden anzuvertrauen, sonst passiert „deinen Geschwistern, deinem Hund oder deinem Hasen etwas Schlimmes“. Diese Kinder entwickeln Vermeidungsstrategien, um wenig Angriffsfläche zu bieten und verhalten sich in Kita und Schule meist sehr still und überangepasst.

In der Praxis stellt sich uns natürlich immer wieder die Frage, wie Pflegeeltern sich auf die Aufnahme von Kindern mit diesen Lebenserfahrungen einstellen können.

Was müssen sie für sich selbst tun? Was brauchen sie von den Begleitern um sie herum?

Pflegeeltern müssen sich durch gute Fortbildungen Wissen und Sicherheit im Umgang aneignen.

Das Jugendamt muss vollumfänglich das Wissen über die Vorfälle in der Herkunftsfamilie bekannt geben, damit die Pflegeeltern sich auf etwaiges Verhalten der Kinder einstellen können. Das Kind benötigt dringend eine entsprechende Therapie, damit es die Chance erhält, Erlebtes zu verarbeiten. Durch Gespräche mit dem Therapeuten können die Pflegeeltern gute Hilfestellung im Alltag erhalten.

Auch betroffenen Kindern muss die Möglichkeit gegeben werden, durch Therapie Selbstwert zu erarbeiten. Die Erwachsenen um das Kind herum sollten das Kind ständig darin bestärken, dass es gut und liebenswert ist. Wichtig ist, das NEIN-Sagen in der Familie verstärkt zu erarbeiten. Immer wieder sollten die Stärken des Kindes hervorgehoben werden und nicht die Misserfolge. Häufig ist therapeutisches Reiten extrem hilfreich, ebenso Sportvereine mit positiven Erlebnissen, die dann in den Alltag transportiert werden. Wer ein gutes Körpergefühl entwickeln kann, erkennt leichter toxischen Machtmissbrauch und lernt schneller nicht mehr alles klaglos zu erdulden.

Das Pflegekind kommt natürlich mit den Verhaltens- und Denkweisen in die Pflegefamilie, die es in seiner Herkunftsfamilie entwickelt hat, um überhaupt alles überstehen zu können.

Je mehr Zeit ein Pflegekind in einer schädlichen Elternhaus-Umgebung verbringen musste, umso schwerer ist es, verlorenes Vertrauen aufzubauen. Wichtig ist es, dem Kind immer wieder zu signalisieren „wir glauben dir und du kannst uns alles erzählen was dich bedrückt“. Nur über Vertrauen und Sicherheit unterbricht man die Spirale des Schweigens und der Gewalt. Das ist häufig ein langer Weg, aber er lohnt sich, denn durch die Pflegeeltern hat das Kind die Chance, Erlebtes positiv zu korrigieren. Das Zuhause der Pflegefamilie muss der Schutzraum für das Kind sein. Deshalb ist es wichtig für Kinder mit entsprechenden Vorerfahrungen, dass keine Besuchskontakte in diesem Zuhause stattfinden.

Gesprächsrunden mit der gesamten Familie, wo jeder das Recht hat Sorgen und Nöte zu besprechen ohne Schuldzuweisungen oder unterbrochen zu werden, können sehr hilfreich sein. Dabei kann das Kind lernen, seine Gefühle zu äußern und diesen zu vertrauen.

Alle Verhaltensweisen, die ein Kind/eine*n Jugendliche*n herabwürdigen, ausgrenzen, beleidigen, durch Androhung von Gewalt unter Druck setzen, seine/ihre Unzulänglichkeiten vor der Gruppe hervorheben und den jungen Menschen bloßstellen, gehören in die Kategorie Machtmissbrauch, sprich auch Mobbing.

Pflegeeltern müssen gut auf ihre Pflegekinder schauen und versuchen zu erkennen, wie es ihnen gut geht, oder ob sie möglicherweise wiederum körperlichen, seelischen oder sexualisierten Missbrauch erleiden. Wenn sie sich unsicher sind oder irgendetwas vermuten, dann sollte in der Regel das Jugendamt/Vormund Ansprechpartner sein. Sollte der Missbrauch im Haushalt der leiblichen Eltern stattfinden und noch Umgangskontakte stattfinden, müssen diese umgehend ausgesetzt werden. Auch begleitete Umgänge sind dann keine Alternative. Ein misshandeltes oder missbrauchtes Kind ist schwer traumatisiert, sodass der bloße Anblick der Eltern, die Stimme, der Geruch usw. triggernd wirken können. Diese mögliche Re-Traumatisierung und/oder diffusen Ängste treten oft Tage vor dem Kontakt auf, ebenso können auch Tage danach noch Auffälligkeiten auftreten.

Wenn das Jugendamt/Vormund nicht hilfreich sein sollte, wenden Sie sich an eine entsprechende Beratungsstelle.

Behandeln Sie ein missbrauchtes/misshandeltes Kind wie jedes andere Kind auch. Was diese Kinder brauchen, ist Normalität und bedingungsloses Vertrauen. Grundsätzlich gilt: Ich glaube dem Kind, egal was es erzählt!

Der Pflegeelternverein oder Verband steht Ihnen sicherlich gerne zur Verfügung. Organisierte Pflegeeltern sind in der Lage zielgerichtet Hilfen einzufordern.

Was Sie und alle Betroffenen wissen sollten:

Mit dem Antrag auf Hilfeleistungen aus dem „Fonds Sexueller Missbrauch im familiären Bereich“ können Betroffene, die vor dem 30. Juni 2013 von Familienangehörigen sexuell missbraucht wurden und zum Tatzeitpunkt minderjährig waren, Hilfeleistungen bis zu 10.000 Euro erhalten. Örtliche Voraussetzung ist, dass die Tat auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bzw. der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik begangen wurde. Der Einstieg ist niedrigschwellig und es lohnt sich: Ermöglicht werden Hilfen wie Reit-, Musik-, Maltherapie oder sonstige hilfreiche Maßnahmen.

Als Vorsitzende einer Clearingstelle des Fonds sexueller Missbrauch berate ich Sie gerne.  https://fonds-missbrauch.de/antragstellung/

Hier finden Sie eine Liste der bundesweiten Beratungsstellen:  https://www.dgfpi.de/index.php/mitgliederdatenbank.html

Der AktivVerbund. e.V. hat u.a. den Schwerpunkt Trauma und Dissoziation und kann auch Elternvereine und Familienverbände in ihrer Beratungstätigkeit unterstützen. Bitte wenden Sie sich an: Schusch@aktivverbund.de

Der Fachkreis »Sexualisierte Gewalt in organisierten und rituellen Gewaltstrukturen« beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wandte sich 2018 mit seinen

Empfehlungen an Politik und Gesellschaft:   http://ecpat.de/wp-content/uploads/2018/04/Fachkreis_Empfehlungen_2018_web-2.pdf

Das Erklärvideo für Fachkräfte :  https://www.youtube.com/watch?v=YX4dxoC22rE&feature=youtu.be

Zur Autorin:

Renate Schusch,

  • Vorsitzende des Aktivverbundes e.V. (www.aktivverbund.de),
  • Vorsitzende einer Clearingstelle beim Fonds sexueller Missbrauch EHS-FSM
  • Mitglied des Fachkreises »Sexualisierte Gewalt in organisierten und rituellen Gewaltstrukturen« beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
  • Als Traumaberaterin, Opferschutz-Begleiterin und Expertin für OEG-Strafrechtsfragen und Krisenbegleitung tritt sie politisch auf Bundes- und Landesebene für benachteiligte Kinder ein.
  • Für ihren ehrenamtlichen Einsatz wurde sie mit der Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (2007) und mit der Berliner Ehrennadel für besonderes soziales Engagement (2018) ausgezeichnet.